Geld verbindet

Darüber, wie und ob unser neues Geld stinkt, schrieb ich letztes Mal. Heute darüber, wie es verbindet: Ich arbeite für einige Tage in Frankreich und auch dort bekam ich jenen Schnupfen, der sonst im feuchten Uelzener Becken auf mich lauert. Schnupfen lässt mich beim Reden noch mehr schniefen als sonst. Christine ist das immer furchtbar peinlich, besonders wenn ich öffentlich schniefe. In Dampierre sur Linotte, dem nächstgrößeren Dorf, soll die nächste Apotheke sein. Der Apotheker dort versteht mein Englisch etwa so, wie ich sein Französisch: Einzelne Wörterchen. Dafür versteht er umfassend meinen Finger an den wunden Nasenlöchern und reicht mir die französische Variante der Nasentropfen, die mir sonst Heitmann zuhause reicht. 0,1 Milligramm. Für Kinder. Ein halbes Placebo. 2 Euro 40 Cent kostet es. Als ich meine Euro über den Tresen reiche, kommt mir der Apothekerkopf schon entgegen. ,,Euro? Allemagne?" fragt er neugierig und setzt rücksichtsvoll hinzu - falls ich nicht weiß, was Allemagne sei, Euro - german Euro?". Jetzt versteht er auch mein perfektes , „Oui" und unsere Köpfe treffen sich über der Tresen-Mitte, als ich ihm mein Portemonnai entgegenhalte. Er beguckt meine 2 Euro 40 aus Ebstorf genau. Der Bundesadler auf meinem deutschen 1-Euro-Stück interessiert ihn nicht sehr. Der Adler gegenüber seiner Apotheke auf dem Kriegerdenkmal ist weitaus eindrucksvoller. Durch die Zähne pfeift der Apotheker aber beim 10 Cent-Stück. ,,Berlin -o, Oui - Berlin!" sagt er dann und lächelt beim Blick auf das winzige Brandenburger Törchen auf der Münze. Dann legt er seine Arme um das eigene Gesicht, sagt , belle Mademoiselle!", schließt kurz die Augen und gibt mit gespitzten Lippen das Geräusch eines Kusses von sich. Ich ahne: Trotz seines Vollbartes - weit voller als der von Heitmann in Ebstorf - muss er mal eine Berliner Pflanze geküsst haben. Ich frage englisch nach und – obwohl er ja nichts versteht - nickt er eifrig, freudig bestätigend: „Belle Mademoiselle - belle Berlin...". Auf das Wechselgeld bin nun ich neugierig geworden. Wieder treffen sich unsere Köpfe und diesmal staune ich: Die französischen Euros zeigen Frauen: Auf dem 1-Cent-Stück nur der Kopf. Auf den 10 und 50 Centstücken die ganze Figur: Französische Idealfigur, lange Haare und deutlicher Hüftschwung. Ach ja -französische Frauen. Das Glück ist immer da wo man selbst (gerade) nicht ist - für meinen Apotheker in Berlin, für mich selbst in Allenbostel. Ich hätte auf den deutschen Münzen auch gerne mehr Frauen. So wie früher auf den 50 Pfennigstücken. Dennoch: Ich sammele sie jetzt-die Euros aus anderen Ländern. Geld stinkt nicht nur -es verbindet. Besonders mit Frauen, Europa's Geld macht familiärer. 22. Januar 2022